Das baden-württembergische Umweltministerium hat Auswirkungen und Folgemaßnahmen einer Trennung der einheitlichen deutschen Stromgebotszone für Baden-Württemberg untersuchen lassen. Die Unwucht im Stromsystem möchte das Land durch schnelleren Netzausbau statt durch höhere Preise in den Verbrauchszentren des Südens beseitigen.
Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg hat im Rahmen einer Studie „Auswirkungen und Folgemaßnahmen einer Trennung der einheitlichen deutschen Stromgebotszone für Baden-Württemberg“ untersuchen lassen. Anlass war die aktuelle Untersuchung der Europäischen Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) zu einer möglichen Aufteilung der einheitlichen deutschen Stromgebotszone. Die Studie des Beratungsunternehmens Frontier Economics kommt zu dem Schluss, dass die Lösung der Herausforderungen des deutschen Stromsystems bei der Transformation hin zu Klimaneutralität und günstiger grüner Energie nicht in der Aufteilung der heute bestehenden einheitlichen deutsch-luxemburgischen Stromgebotszone zu finden ist. Stattdessen können positive Effekte auch mit geringerer Eingriffstiefe und weniger Nebenwirkungen erreicht werden.
In Deutschland fallen Regionen mit hohem Stromverbrauch und starken Erzeugungskapazitäten meist nicht örtlich zusammen. So wird Strom häufig überproportional im Norden und Osten der Republik erzeugt, während Verbräuche überproportional in den industriellen Zentren des Südens und Westens zu verorten sind. Zugleich wandelt sich das Energiesystem von einem zentralisierten fossilen System mit Großkraftwerken hin zu einem mehr dezentralen erneuerbaren Energiesystem mit vielen kleinen Erzeugungsanlagen. Für die Wertschöpfung vor Ort ist die vermehrte lokale Stromerzeugung eine gute Entwicklung, allerdings hat diese Entwicklung Auswirkungen auf die Funktion des Energiesystems.
Allerdings ergeben sich im bundesweiten Übertragungsnetz Engpässe zwischen Stromproduktion und Energieverbrauch. Diese werden derzeit über direkte Eingriffe der Netzbetreiber - einen sogenannten Redispatch - ausgeglichen. Ein solches Engpassmanagement kostet jedoch Geld und verursacht zusätzlich CO2-Emissionen. Das stellt den Strommarkt physikalisch und finanziell vor Herausforderungen.
Die aktuelle Untersuchung der ACER dient dazu, eine mögliche Aufteilung der bisher einheitlichen deutschen Stromgebotszone zu prüfen. Durch eine Aufteilung in verschiedene Gebotszonen, gelten jeweils unterschiedliche Börsenpreise für Strom. Dies soll in der Zone mit höheren Preisen den Bau von Speichern oder Anlagen zur Energieerzeugung attraktiver machen und beispielsweise Anreize im Süden und Westen Deutschlands zu mehr Eigenproduktion von Strom setzen. Die neue Studie des Unweltministeriums widerspricht diesem Ansatz allerdings. Einerseits übersehe die Argumentation, dass marktgetriebene Anpassungen nicht unmittelbar realisiert werden. Planungs- und Umsetzungszeiten verlangsamen Reaktionen in der Realität und der Markt wirke stark zeitversetzt. Darüber hinaus treffen höhere Strompreise alle Verbraucher:innen unmittelbar: Das Ergebnis der Strommarktmodellierungen der Autor:innen zeigt, dass in der südlichen Zone die durchschnittlichen Strompreise um etwa zehn Euro pro Megawattstunde im Jahr 2025 und um sechs Euro pro Megawattstunde im Jahr 2030 höher sein könnten als in der nördlichen Zone.
Die Ergebnisse der Studie postulieren eine andere Strategie. Demnach sei wirksamstes Mittel, um Netzkosten und CO2 einzusparen der Netzausbau. Dieser geht derzeit mit Fortschritten bei Planung und Genehmigung der beiden neuen Stromverbindungen SuedLink und Ultranet voran. Beispielsweise sind alle Abschnitte von SuedLink in Baden-Württemberg bereits genehmigt. Die beiden Hochspannungs-Gleichstromleitungen sind zudem bereits in weiten Teilen im Bau.
Zugleich können die durch eine Aufteilung der Strompreiszonen erwünschten Preissignale auch negative Folgen haben: Durch höhere Preise können für die Erreichung der Klimaschutzziele wichtige Transformationsprozesse wie Elektrifizierung der Industrie, Nutzung von Elektromobilität und Wärmepumpen verzögert werden. So betont Baden-Württembergs Umwelt- und Energieministerin Thekla Walker: "Wir wollen die Probleme real lösen statt virtuell. Die Unwucht im Stromsystem beseitigen wir durch schnelleren Netzausbau. Der Ausbau erneuerbarer Energien schreitet in Baden-Württemberg ebenfalls voran." Zum Effekt einer durch eine Gebotszonenteilung ausgelösten Preissteigerung ergänzt die Ministerin: "Höhere Strompreise für starke Verbraucher sind in dieser Situation weniger Peitsche für einen noch schnelleren Ausbau, sondern eher Knüppel zwischen die Beine einer derzeit hart im Wettbewerb stehenden Wirtschaft."
Quelle: Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg